Abendweg
Aus dunklen Räumen steigen stumm Gestalten
Ich schließ die Augen, um sie klar zu sehn
Der Neckar spiegelt graues Haar und Falten
Zu wenig Zeit mich lang hier aufzuhalten
Ich will den Weg im Abend weitergehn
Obszöne Bilder, Filme, Augenblicke
nicht wiederholbar, dem Vergessen Dank
Uralte Küchenuhr mit Nervgeticke
War das dein Kinderzimmer dort, ich nicke
Kein Elterngrab mehr, keine Rasenbank
Zu schnell vorbei die endlos leeren Stunden
Zu oft ein kurzes Glück zu lang gesucht
Zu gern versteckt die nie vernarbten Wunden
Zu wenig Hass zu viel Geduld empfunden
Zu kleine Fehler ohne Grund verflucht
Nach dummem Wachtraum wirre Träume quälen
ersehnte Ziele ständig nicht erreicht
Kein Fenster, keine Tür in leeren Sälen
Absurder Zwang zu folgen den Befehlen
Bis endlich jede Nacht dem Morgen weicht
Und doch: auch heiße Stunden kehren wieder
Gesichter repetieren frühes Glück
Ein Bad im Beifallrauschen für die Lieder
Kritikerlob ringt Zwischenzweifel nieder
Minutenbilder bringen Lust zurück
Banales Leid an Körper Geist und Seele
Und statt Jahrzehnten eine Handvoll Zeit
Der Morgen schwarz, das Ende schnürt die Kehle
Trotz aller überstrengen Selbstbefehle
Nur kurz der Ausweg in Vergangenheit
Aus Nebelschwaden steigen stumm Gestalten
Mit offnen Augen kann ich sie nicht sehn
Der Wunsch die guten Jahre zu behalten
Als kleine Wärme gegen das Erkalten
Den Abendweg statt klagen weitergehn
2017/18